GASTBEITRAG:
„Gesetz ist grundsätzlich richtig angelegt“
Die Regierung hat das Kraftwerkssicherheitsgesetz auf den Weg gebracht. Was es nun braucht, weiß *Michael Salcher von KPMG.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat unmittelbar nach dem Haushaltskompromiss der Bundesregierung vom 5. Juli die lang erwarteten
Details eines neuen Kraftwerkssicherheitsgesetzes (KWSG) veröffentlicht. Ziel des Gesetzes ist die Umsetzung der im Februar
2024 mit den Koalitionsspitzen getroffenen Eckpunktevereinbarung zur Kraftwerksstrategie.
Der Handlungsbedarf war groß, nachdem das im Rahmenkonzept 2023 vorgesehene Investitionsvolumen für den Kraftwerkszubau von 60 Milliarden Euro durch die Kürzungen des Klima- und Transformationsfonds (KTF) auf rund 20 Milliarden Euro mehr als halbiert wurde. Mit Blick auf künftig marktbasierte Kapazitätsmechanismen werden mit dem neuen Gesetz nun 10 GW neue Kraftwerkskapazität, 2 GW Modernisierungen sowie weitere 500 MW für H2-Sprinter ausgeschrieben. Hinzu kommen 500 MW Langzeitspeicher zum Ausgleich von Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen. Insgesamt ist eine Kraftwerksleistung von 12,5 GW geplant.
Säule 1 des KWSG
Die Umsetzung des KWSG basiert auf zwei Säulen: In einem ersten Schritt werden 7,5 GW Kraftwerksleistung ausgeschrieben, neu gebaut oder modernisiert. Diese Anlagen müssen ab dem achten Jahr ihrer Inbetriebnahme oder Modernisierung auf den Betrieb mit grünem oder blauem Wasserstoff umgestellt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Investitionskosten für Kraftwerke dieser Säule zu fördern. Die Finanzierung ist über den KTF vorgesehen.
Ein weiteres Ziel ist es, die Differenz zwischen den höheren Kosten für den Betrieb mit Wasserstoff im Vergleich zu Erdgas auszugleichen. Maximal 800 Vollbenutzungsstunden pro Jahr sind dafür vorgesehen. In dieser Fördertranche sind auch reine H2-Sprinter und Langzeitspeicher mit einer Kapazität von bis zu 500 Megawatt enthalten.
Säule 2 des KWSG
In der zweiten Säule werden weitere 5 GW an neuen Gaskraftwerken ausgeschrieben. Da diese Kraftwerke vor allem in Zeiten der „Dunkelflaute“ die Energieversorgung sicherstellen sollen, wird dies beihilferechtlich als Beitrag zur Versorgungssicherheit gewertet.
Der Zubau von jeweils 5 GW Gaskraftwerken aus beiden Säulen soll daher die Netz- und Systemstabilität in besonderem Maße sichern. Ob der überwiegende Zubau dieser Kraftwerke, wie von der Bundesregierung angestrebt, systemdienlich im „netztechnischen Süden“ realisiert werden kann, ist im Detail noch zu klären.
Mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz liegen nun konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die den Weg in ein künftiges Marktdesign ebnen, das technologieoffene Kraftwerke und marktbasierte Kapazitätsmechanismen braucht. Das Gesetz ist grundsätzlich richtig angelegt.
Allerdings reicht der geplante Zubau an Kraftwerkskapazitäten bei weitem nicht aus, um eine vorhersehbare Leistungslücke von bis zu 37 GW (Quelle: KPMG) gesicherter Leistung zu schließen, die vor dem Hintergrund des eingeleiteten Ausstiegs aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 Einschätzungen zufolge entstehen wird.
Leistungslücke kann noch größer ausfallen
Bei einem vorgezogenen Kohleausstieg, der von der Bundesregierung sogar bis 2030 angestrebt wird, kann die Differenz noch größer ausfallen. Es wird erwartet, dass sich die regelbare Leistung durch konventionelle Stilllegungen (minus 37 GW) und Nichtverfügbarkeiten (minus 6 GW) ab 2031 sogar auf insgesamt 43 GW belaufen könnte.
Umso wichtiger ist eine Neujustierung des Strommarktdesigns, zu der das BMWK am 2. August einen Konsultationsprozess eröffnet hat. Die von der Bundesregierung 2023 einberufene Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) hat dazu zentrale Vorschläge erarbeitet. Sie adressieren einen sicheren Investitionsrahmen für erneuerbare Energien und für Kraftwerkskapazitäten, eine optimale Netznutzung und die Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage im Strommarkt.
Ein deutlich positiver Aspekt des KWSG ist die Stärkung der H2-Nachfrage und damit auch der Planungssicherheit für das H2-Kernnetz durch den Zubau technologieoffener Kraftwerke. Die für Investoren notwendige Planungssicherheit wird vor allem durch einen konkreten Umstellungspfad auf Wasserstoff für bestehende und neue Anlagen geschaffen. Eine erfolgreiche Kraftwerksstrategie sollte daher das Marktdesign um Kapazitätsmechanismen ergänzen, die Investitionssicherheit für neue oder modernisierte Kraftwerke bieten.
Nach Abschluss des Konsultationsprozesses ist es wichtig, die Regelungen schnellstmöglich gesetzlich zu kodifizieren und Klarheit über die endgültigen Ausschreibungsdetails und mögliche Kapazitätsmechanismen zu schaffen. Nur so kann der Kraftwerkszubau zügig beginnen.
*Michael Salcher, Head of Energy & Natural Resources bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Der Handlungsbedarf war groß, nachdem das im Rahmenkonzept 2023 vorgesehene Investitionsvolumen für den Kraftwerkszubau von 60 Milliarden Euro durch die Kürzungen des Klima- und Transformationsfonds (KTF) auf rund 20 Milliarden Euro mehr als halbiert wurde. Mit Blick auf künftig marktbasierte Kapazitätsmechanismen werden mit dem neuen Gesetz nun 10 GW neue Kraftwerkskapazität, 2 GW Modernisierungen sowie weitere 500 MW für H2-Sprinter ausgeschrieben. Hinzu kommen 500 MW Langzeitspeicher zum Ausgleich von Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen. Insgesamt ist eine Kraftwerksleistung von 12,5 GW geplant.
Säule 1 des KWSG
Die Umsetzung des KWSG basiert auf zwei Säulen: In einem ersten Schritt werden 7,5 GW Kraftwerksleistung ausgeschrieben, neu gebaut oder modernisiert. Diese Anlagen müssen ab dem achten Jahr ihrer Inbetriebnahme oder Modernisierung auf den Betrieb mit grünem oder blauem Wasserstoff umgestellt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Investitionskosten für Kraftwerke dieser Säule zu fördern. Die Finanzierung ist über den KTF vorgesehen.
Ein weiteres Ziel ist es, die Differenz zwischen den höheren Kosten für den Betrieb mit Wasserstoff im Vergleich zu Erdgas auszugleichen. Maximal 800 Vollbenutzungsstunden pro Jahr sind dafür vorgesehen. In dieser Fördertranche sind auch reine H2-Sprinter und Langzeitspeicher mit einer Kapazität von bis zu 500 Megawatt enthalten.
Säule 2 des KWSG
In der zweiten Säule werden weitere 5 GW an neuen Gaskraftwerken ausgeschrieben. Da diese Kraftwerke vor allem in Zeiten der „Dunkelflaute“ die Energieversorgung sicherstellen sollen, wird dies beihilferechtlich als Beitrag zur Versorgungssicherheit gewertet.
Der Zubau von jeweils 5 GW Gaskraftwerken aus beiden Säulen soll daher die Netz- und Systemstabilität in besonderem Maße sichern. Ob der überwiegende Zubau dieser Kraftwerke, wie von der Bundesregierung angestrebt, systemdienlich im „netztechnischen Süden“ realisiert werden kann, ist im Detail noch zu klären.
Mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz liegen nun konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die den Weg in ein künftiges Marktdesign ebnen, das technologieoffene Kraftwerke und marktbasierte Kapazitätsmechanismen braucht. Das Gesetz ist grundsätzlich richtig angelegt.
Allerdings reicht der geplante Zubau an Kraftwerkskapazitäten bei weitem nicht aus, um eine vorhersehbare Leistungslücke von bis zu 37 GW (Quelle: KPMG) gesicherter Leistung zu schließen, die vor dem Hintergrund des eingeleiteten Ausstiegs aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 Einschätzungen zufolge entstehen wird.
Leistungslücke kann noch größer ausfallen
Bei einem vorgezogenen Kohleausstieg, der von der Bundesregierung sogar bis 2030 angestrebt wird, kann die Differenz noch größer ausfallen. Es wird erwartet, dass sich die regelbare Leistung durch konventionelle Stilllegungen (minus 37 GW) und Nichtverfügbarkeiten (minus 6 GW) ab 2031 sogar auf insgesamt 43 GW belaufen könnte.
Umso wichtiger ist eine Neujustierung des Strommarktdesigns, zu der das BMWK am 2. August einen Konsultationsprozess eröffnet hat. Die von der Bundesregierung 2023 einberufene Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) hat dazu zentrale Vorschläge erarbeitet. Sie adressieren einen sicheren Investitionsrahmen für erneuerbare Energien und für Kraftwerkskapazitäten, eine optimale Netznutzung und die Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage im Strommarkt.
Ein deutlich positiver Aspekt des KWSG ist die Stärkung der H2-Nachfrage und damit auch der Planungssicherheit für das H2-Kernnetz durch den Zubau technologieoffener Kraftwerke. Die für Investoren notwendige Planungssicherheit wird vor allem durch einen konkreten Umstellungspfad auf Wasserstoff für bestehende und neue Anlagen geschaffen. Eine erfolgreiche Kraftwerksstrategie sollte daher das Marktdesign um Kapazitätsmechanismen ergänzen, die Investitionssicherheit für neue oder modernisierte Kraftwerke bieten.
Nach Abschluss des Konsultationsprozesses ist es wichtig, die Regelungen schnellstmöglich gesetzlich zu kodifizieren und Klarheit über die endgültigen Ausschreibungsdetails und mögliche Kapazitätsmechanismen zu schaffen. Nur so kann der Kraftwerkszubau zügig beginnen.
*Michael Salcher, Head of Energy & Natural Resources bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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Dienstag, 06.08.2024, 17:01 Uhr
Dienstag, 06.08.2024, 17:01 Uhr
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